Medizin (lat.: ars oder scientia medicina, Heilkunst oder Heilkunde), die Wissenschaft, die sich mit der Aufrechterhaltung der Gesundheit sowie der Vorbeugung, der Linderung und der Heilung von Krankheiten beschäftigt. Vor allem ugs. und lit. bezeichnet M. auch das Medikament.
Von der Humanmedizin, die sich mit dem Menschen befasst, wird die Tier- o. Veterinärmedizin abgegrenzt, mit Pflanzenkrankheiten beschäftigt sich die Phytomedizin. Mit dem Begriff Paramedizin (syn.: alternative M.) werden die diagnostischen und therapeutischen Systeme bezeichnet, die von der wissenschaftlichen M. („Schulmedizin“) nicht anerkannt werden. Als Naturwissenschaft hat die M. Wurzeln in der Physik, der Mathematik, der Biologie und der Chemie. Als Wissenschaft vom Menschen sind Methoden und Erkenntnisse der Psychologie, Soziologie, Philosophie (Ethik), Geschichte und Pädagogik bedeutsam. Eine zunehmende Rolle spielt die volkswirtschaftl. Betrachtungsweise. Die Evidenzbasierte M. (EbM) versucht, die überlieferte medizin. Heilkunst mit den Mitteln der Statistik auf ihre Schwächen hin zu überprüfen.
Das Gesamtgebiet der M. gliedert sich seit dem 19. Jh. zunehmend in spezialisierte Fachdisziplinen.
Der Allgemeinmediziner (Hausarzt) entwickelt sich zunehmend vom Universalisten zum Koordinator der spezialisierten Untersuchungs- u. Behandlungsmethoden sowie zum (lebenslangen) Berater des Patienten. Daneben beschäftigt er sich mehr als die Spezialisten mit den sozialen, ökonom. und ethischen Bezügen der M. Die exakte Diagnose spielt in der A.M. nur selten eine führende Rolle, Diagnosen haben oft den Charakter der Vorläufigkeit und müssen dem Verlauf der Erkrankung angepasst werden. Die strukturierte Diagnostik soll insbesondere „abwendbar gefährliche Verläufe“ erkennen. Damit sind Krankheitsverläufe gemeint, die zwar selten auftreten, deren spezifische Behandlung aber Schaden oder gar den Tod des Patienten abwenden können. Die A.M. ist nicht nur praktisch angewandte M., sie besitzt auch eine eigene Forschung und an allen medizinischen Fakultäten einen eigenen Lehrstuhl, sie ist obligates Prüfungsfach im medizin. Staatsexamen.
Die Innere M., die sich mit den Erkrankungen innerer Organe beschäftigt, gliedert sich einerseits in eine zunehmende Anzahl von Spezialgebieten, andererseits werden Aufgaben der Allgemeinmedizin übernommen.
Die Kardiologie als Teilgebiet der Inneren M. umfasst die Krankheiten des Herzens u. des Kreislaufs. Neben der Diagnostik u. konservativen (z. B. medikamentösen) Therapie gewinnt zunehmend die interventionelle Kardiologie an Bedeutung (Kathetherdilatation, Stentimplantation, Schrittmachertherapie). Venen u. Arterien sind Gegenstand der Angiologie.
Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts sind die Domäne der Gastroenterologie. Beflügelt wurde die Entwicklung dieses Fachgebiets durch die Fortschritte der Endoskopie, der Spiegelung des Magen-Darm-Trakts mit flexiblen opt. Instrumenten. Die Endoskopie ermöglicht, Diagnosen auf einem weitaus sicheren Niveau zu stellen, als es mit der Röntgendiagnostik zuvor mögl. war. Veränderungen an Magen u. Darm können nun direkt u. in Farbe beurteilt werden, die Entnahme von Proben zur histolog. Sicherung der Diagnose ist mögl. Die Endoskopie erlaubt auch operative Eingriffe, wie z. B. die Abtragung von Polypen aus dem Dickdarm o. die Extraktion von Steinen aus dem Gallengang. Die Endokrinologie befasst sich mit der Erforschung u. Behandlung von Störungen des Hormonhaushalts. Wegen der zunehmenden Zahl an Erkrankungen hat die Diabetologie eine gewisse Selbstständigkeit als Teilgebiet der Inneren M. erlangt. Sie beschäftigt sich mit der Erforschung u. Behandlung der Zuckerkrankheit (des Diabetes mellitus).Bluterkrankungen u. die konservative (nicht operative) Therapie maligner Tumoren gehören zum Gebiet der Hämatologie u. Onkologie. Alle Fragen im Zusammenhang mit der Verwendung von Blut u. Blutprodukten werden von der Transfusions-M. bearbeitet.
Weitere Teilgebiete der Inneren M. sind die Rheumatologie u. die Nephrologie (Erkrankungen der Nieren inkl. Dialysebehandlung bei chronischer Niereninsuffizienz). Die Pulmologie (Erkrankungen von Lunge u. Atemwegen), früher ein eigenständiges Fachgebiet, wird nunmehr auch als Teilgebiet der Inneren M. angesehen.
Mit den Erkrankungen des Gehirns und der Nerven beschäftigt sich die Neurologie. Diese Erkrankungen sind angeboren oder entstehen durch Infektionen, Verletzungen und Vergiftungen oder durch degenerative Prozesse. Epilepsien und Parkinsonerkrankungen lassen sich medikamentös behandeln, Bandscheibenvorfälle und Engpaßsyndrome mit Schädigungen der Nerven werden der Operation zugeführt. Die Zunahme der Demenzkranken (Morbus Alzheimer, vaskuläre Demenz) stellt die Neurologie in Forschung und Therapie noch vor große Probleme. Bei der Therapie der Infektionen des Zentralnervensystems durch z. B. Borellien und das HIV - Virus gibt es große Fortschritte in der antiinfektiven Therapie, aber auch noch viele ungelöste Probleme. Neben der körperlichen neurologischen Untersuchung mit Prüfung von Sensibilität, Motorik und der Muskeleigenreflexe steht der N. die Elektroencephalografie (EEG, Messung der Hirnströme), die Messung der Nervenleitgeschwindigkeit (NLG) und die Sonografie (Ultraschalluntersuchung) der hirnversorgenden Gefässe als apparative Diagnostik zur Verfügung. Manchmal ist eine Untersuchung des Liquors (Gehirnwassers) im Labor zur Diagnosestellung unerlässlich. Computertomografie und Kernspintomografie haben große Fortschritte in der neurolog. Diagnostik ermöglicht.
Geistes- und Gemütserkrankungen wie die Schizophrenie, Manie und Depression sowie die Neurosen sind Gegenstand der Psychiatrie. Die Neuroleptika haben es ermöglicht, viele Schizophreniepatienten außerhalb geschlossener Anstalten zu behandeln, die Antidepressiva und das Lithium haben den Krankheitsverlauf manisch-depressiver Psychosen deutlich gebessert.
Die Psychotherapie gehört in Forschung und Praxis sowohl zur Medizin als auch zur Psychologie. Die Psychoanalyse, begründet von Sigmund Freud, hatte zu Beginn des 20.Jahrhunderts den Anfang gemacht, Verhaltenstherapie und Geprächspsychotherapie u. a. sind hinzugetreten. Psychotherapie wird nicht nur von Psychiatern, sondern auch von weitergebildeten Psychologen und Ärzten vieler anderer Fachrichtungen durchgeführt.
Die Psychosomatik klärt und behandelt Zusammenhänge zwischen psychischen Erkrankungen und körperlichen Beschwerden.
Die letzten 30 Jahre haben einen gewaltigen Aufschwung für die Bildgebende Diagnostik durch die Computer- u. die Kernspintomografie erfahren. Diese Verfahren gehören neben anderen bildgebenden Verfahren wie dem konventionellen Röntgen, der Szintigrafie u. der Sonografie zum Gebiet der (diagnost.) Radiologie. Eng verwandt hiermit ist die Strahlentherapie (Radioonkologie), bei der hochenerget. ionisierende Strahlung zur Behandlung meist bösartiger Erkrankungen eingesetzt wird. In der Nuklearmedizin werden radioaktive Nuklide (Radiopharmaka) zur Diagnostik u. Therapie eingesetzt.Bildgebende Verfahren werden außerdem in vielen anderen medizin. Teilgebieten verwendet: Die Sonografie (Untersuchung mittels Ultraschall) in fast allen Gebieten, das konventionelle Röntgen z. B. in der Chirurgie u. Inneren M.
Das Fachgebiet der Kinderheilkunde (Pädiatrie) nennt sich heute meist Kinder- u. Jugendmedizin. Die Kinderfrüherkennung im Alter zwischen 0 und 5 Jahren (U1 bis U9) soll die angeborene Defekte frühzeitig erkennen, die bei rechtzeitiger Therapie geheilt oder gebessert werden können. Dazu zählt z. B. die angeborene Hypothyreose, die Phenylkentonurie, die angeborene Hüftdysplasie oder Hör- und Sehstörungen. Viele angeborenen Herzfehler können durch rechtzeitige Operation korrigiert werden. Störungen der Entwicklung soll durch Erkennung und Frühförderung entgegengewirkt werden. Schutzimpfungen, Diagnose und Therapie der Kinderkrankheiten sowie jener Erkrankungen, die im Kindesalter ihren Anfang nehmen (Epilepsie, Allergien) sind weitere Betätigungsfelder. Subdisziplinen sind die Neonatalogie (Erkrankungen des Neugeborenen), die Kinderhämatologie u. -Onkologie, die Neuropädiatrie (neurolog. Erkrankungen im Kindesalter), die Kinderkardiologie u. die Sozialpädiatrie. Als eigenständiges Fachgebiet hat sich die Kinder- u. Jugendpsychiatrie bzw. -psychotherapie etabliert.
Die Beziehung zwischen beruflicher Tätigkeit und Gesundheit ist das Thema der Arbeitsmedizin. Das Fachgebiet der Hygiene u. Umweltmedizin ist stark präventiv orientiert und erstreckt sich auf alle den Menschen von außen schädigende Faktoren: In der Krankenhaushygiene z. B. geht es um die Vermeidung nosokomialer Infektionen, schädl. Einflüsse auf die Gesundheit der Bevölkerung durch Umwelteinflüsse identifiziert die Umweltmedizin, auch im Verbraucherschutz wird diese Fachdisziplin tätig. Ein ähnliches Teilgebiet der M. ist das des Öffentl. Gesundheitswesens, hier stehen mehr die staatlichen Aufgaben der Gesundheitsvorsorge u. Gesundheitsfürsorge im Vordergrund. Die Physikalische M. konzentriert sich auf den Einsatz von Wärme u. Kälte, Wasser, elektrischen Strömen und Licht, Bewegung, Massage sowie Inhalationen zur Vorbeugung und Rehabilitation von chronischen Erkrankungen, Behinderungen und Unfallfolgen. Die Epidemiologie untersucht die Verteilung verschiedener Krankheiten in der Bevölkerung, um Hypothesen über deren Ursachen zu formulieren.
Die Hauptaufgaben des Pathologen als eines spezialisierten Mediziners sind die Beurteilung von Gewebeproben unter dem Mikroskop (histologische Untersuchung) und die Obduktion zur Klärung der Todesursache. Ein ähnliches Arbeitsfeld hat die Rechtsmedizin (forensische M.), sie dient der Aufklärung von Straftatbeständen. Dies erfolgt durch Obduktion zur Feststellung der Todesursache, aber auch durch toxikolog. u. molekularbiolog. Untersuchungen (DNA-Analyse) u. a..
Auch das Thema der Ernährung deckt einen Teilbereich der Pharmazie ab. Vor allem der kollektive Wunsch der Gewichtabnahme sorgt in der Forschung und Entwicklung dafür, dass immer wieder neue Methoden entwickelt werden, die das Abnehmen ermöglichen oder vereinfachen. Hier erfolgen allerdings seltener medikamentöse Behandlungen, sondern vielmehr Beratungen hinsichtlich verschiedener Diäten wie beispielsweise der häufig angewandten 8-Stunden-Diät.
Hochspezialisierte Untersuchungs- und Forschungsmethoden haben die Laboratoriumsmedizin und die medizin. Mikrobiologie zu eigenen Spezialgebieten gemacht. Die Humangenetik erforscht Erbkrankheiten des Menschen. Die Pharmakologie untersucht die Wirkung von Arzneimitteln auf den menschl. Körper: In der experimentellen Pharmakologie anhand von Modellen, in der klinischen Pharmakologie in der Untersuchung am Menschen, in der Toxikologie geht es um die Erforschung von Giftwirkungen.
Die Dermatologie hat seit der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts bedeutende Fortschritte in der Therapie des Hautkrebses, der pilzbedingten Hauterkrankungen und auch lebensbedrohlicher Krankheiten wie dem Pemphigus und dem Lupus erythematodes gemacht. Die Psoriasis vulgaris (Schuppenflechte) ist eine der häufigsten Hauterkrankungen, sie kann zwar nicht geheilt, aber doch effektiv unter Kontrolle gebracht werden. Allergien manifestieren sich meist zuerst an Haut und Schleimhäuten, neben der Pulmologie und der HNO-Heilkunde beschäftigt sich auch die Dermatologie sehr intensiv mit der Diagnose und Therapie von Allergien. Auch die Syphilis zeigt vielfältige Symptome an der Haut, von Anfang an war daher die Dermatologie auch mit der Therapie der Geschlechtskrankheiten (Venerologie) verbunden.
Die Chirurgie ist so alt wie die Menschheit selbst, schon in der Steinzeit wurden Knochenbrüche geschient und Wunden versorgt. Ihren Platz in der wissenschaftlischen M. erhielt die Chirurgie aber erst mit dem Fortschreiten der anatomischen Kenntnisse in der Zeit der Renaissance und dann mit der Entwickelung der Anästhesie im 19. Jahrhundert. Wie auch in der gesamten M., so ist auch in der Chirurgie eine zunehmende Spezialisierung festzustellen: Herzchirurgie (z. B. Implantation von künstl. Herzklappen, Bypass-Operationen an den Herzkranzgefässen), Thoraxchirurgie (Eingriffe im Brustkorb), Viszeralchirugie (Operationen im Bauchraum), Orthopädie und Unfallchirurgie (Skeletterkrankungen u. a. durch Verschleiß und Unfälle). Die Gefäßchirurgie beschäftigt sich unter anderem mit der Wiedereröffnung von Verschlüssen an den Hirnversorgenden Schlagadern oder denen des Beins, der Entfernung von Aneurysmen (krankhaften Gefäßerweiterungen mit der Gefahr der Ruptur), der Entfernung von Krampfadern und anderem mehr. Die Plastische Chirurgie ist Wiederherstellungschirurgie nach Unfällen, Verbrennungen oder Tumoroperationen etc.. Kinder sind nicht einfach kleine Erwachsene, in der Kinderchirurgie haben sich eigenständige Operations- und Behandlungsmethoden sowie ein neues Fachgebiet entwickelt. Die Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie hat enge Berührungspunkte mit der Zahnmedizin, in Deutschland müssen Ärzte in dieser Spezialdisziplin deswegen das Staatsexamen sowohl in Zahnmedizin als auch das in M. ablegen. Ein vollständig selbstständiges Fachgebiet ist das der Neurochirurgie, unter anderem Eingriffe am Gehirn (z. B. Tumorentfernung) oder an den Bandscheiben gehören zum Spektrum. Ohne Anästhesie (Schmerzausschaltung) gäbe es keine moderne Chirurgie, die zunehmende Schwierigkeit der chirurgischen Eingriffe hat zur Entwicklung eines eigenständigen Fachgebiets geführt. Das Gebiet der Anästhesie deckt daneben auch die Intensivmedizin, die Notfallmedizin und die spezielle Schmerztherapie bei chron. Schmerzkranken ab.
Erkrankungen von Ohr, Nase, Nasennebenhöhlen, Mundhöhle, Rachen und Kehlkopf werden von Ärzten der Fachrichtung Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde (Abk.: HNO) behandelt. Auch Stimm-, Sprach-, Sprech- u. Hörstörungen gehören zum Fachgebiet. Die Augenheilkunde (Opthalmologie) befasst sich mit allen Störungen des Sehorgans: Von der Fehlsichtigkeit bis hin zur operativen oder konservativen Behandlung des grünen Stars (Glaukom), des grauen Stars (Katarakt) und der Folgen des Diabetes mellitus am Auge (Retinopathia diabetica – diabetische Netzhauterkrankung). Auch Entzündungen und Verletzungen des Auges gehören zum Gebiet der Ophtalmologie.
Die Gynäkologie (Frauenheilkunde) beschäftigt sich mit den Erkrankungen der weiblichen Geschlechtsorgane und schließt meist die Geburtshilfe mit ein. Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin, gynäkolog. Onkologie sowie Perinatalmedizin sind weitergehende Spezialisierungen in diesem Fachgebiet.Die Urologie befasst sich mit Erkrankungen der männlichen Harn- und Geschlechtsorgane sowie der weibl. Harnorgane.
Die Anatomie untersucht den Aufbau des menschl. Körpers, von der makroskopischen, mit dem bloßen Auge sichtbaren bis hin zur nur mit dem Mikroskop sichtbaren Ebene der Zellen, Zellverbände u. -bestandteile (Histologie).Die Physiologie untersucht die Funktion des Bewegungsapparats, des Herzkreislaufsystems, der Sinnesorgane und des zentralen Nervensystems. Sie hat enge Berührungspunkte mit der Physik, der Biochemie, der Mathematik und der Anatomie. Die Biochemie befasst sich mit der Chemie lebender Organismen.
Grundlegende u. kontrovers diskutierte eth. Probleme in der modernen M. sind alle Fragen zum Ende des Lebens (Sterbehilfe), der genet. Forschung (z. B. Embryonenforschung) u. Fortpflanzungsmedizin sowie der Organtransplantation.
Ursachen für die Steigerung der Gesundheitskosten in den westl. Industrienationen liegen in den zunehmenden diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten der M. sowie in der zunehmenden Überalterung der Bevölkerung. In vielen Entwicklungsländern ist das Gesundheitssystem in einem völlig desolaten Zustand. Folgen daraus ergeben sich nicht nur für die Bevölkerung in diesen Ländern, sondern auch für den Rest der Welt. AIDS–Epidemie u. Vogelgrippe sind nur zwei Beispiele dafür.